Hell, strahlend – So lässt sich das Wort „Dzi“ aus dem Tibetischen ins Deutsche übersetzen. Die danach benannten Dzi-Steine haben heute Legendenstatus. Einst brachten Alpinisten sie nach Europa, die für Himalaya-Expeditionen nach Tibet reisten. Ähnlich wie Haifischzähne bei Surfern, sind die sogenannten Himmelsperlen bei einigen Bergsteigern mittlerweile eine Art Erkennungszeichen. Mysteriös macht sie vor allem der Umstand, dass ihr Ursprung bis heute nicht abschließend geklärt ist. Archäologische Funde aus dem Indus-Tal deuten darauf hin, dass sie womöglich von der sogenannten Indus-Kultur hergestellt worden sein könnten, die von 2.800 bis 1.900 v. Chr. auf dem Gebiet des heutigen Indiens, Pakistans und Afghanistans existierte. Demnach wären die Steine bereits vor mehr als 4.000 (!) Jahren durch Handel nach Tibet gelangt. Anschließend wurden sie von Einheimischen an heiligen Orten vergraben und gerieten in Vergessenheit.
Vor rund 1.500 Jahren wurden sie schließlich von tibetischen Nomaden wiederentdeckt. Da Überlieferungen fehlten, glaubten diese damals an einen göttlichen Ursprung. Der Legende nach ließ sie ein guter Geist vom Himmel regnen, um den Findern Schutz vor einem bösen Dämon zu bieten, der die Erde regelmäßig heimsucht. Dzi-Steine besitzen für Gläubige somit eine Art Schutz- und Heilwirkung, die sich vor allem an der Zahl ihrer sogenannten Augen bemisst. Während 2-äugige Steine für Harmonie & gute Beziehungen stehen, versprechen Exemplare mit 9 Augen Reichtum & Erfolg. Gefunden werden sie häufig in kleinen Tonschalen, sogenannten Nestern. Solche Funde erzielen heute Preise von bis zu 100.000 Euro. Ironischerweise sind die Perlen gerade in China, das seit den 1950er-Jahren eine systematische Vernichtung der tibetischen Kultur betrieben hat, sehr beliebt. Als besonders kostbar gelten „pure“ Dzi-Steine aus Achat, bei denen die Augen rein durch die natürliche Maserung des Siliciumdioxids an die Oberfläche treten. Doch auch Exemplare bei denen die Augen durch aufwendige Ätzungen herausgearbeitet wurden können bis zu 4.000 Jahre alt sein.
Neben diesen „Originalen“ gibt es auch jüngere Dzi-Steine, die zunächst von Tibetern selbst hergestellt wurden. Genau wie ihre Vorbilder sind sie aus Achat gefertigt. Die Herstellung ist allerdings schwierig, da der Edelstein leicht splittert und nur unter Hitze bearbeitet werden kann. Wie den Menschen vor über 4.000 Jahren die Bearbeitung überhaupt gelang ist bis heute eine Rätsel. Im Gegensatz zu den Menschen aus kapitalistischen Systemen, ist gläubigen Tibetern das Alter der Steine aber meist relativ egal. Sie sehen selbst moderne Varianten aus Glas oder Holz als Glücksbringer an. Einer der ersten antiken Dzi-Steine, der seinen Weg nach Europa fand, ist der Stein der Bergsteigerlegende Reinhold Messner. Ein älterer Tibeter bot ihm den Stein auf Nachfrage für den damals absurd klingenden Preis von 1.000 Dollar an. Trotz anfänglicher Skepsis wendete der Extrembergsteiger den Rest seines Expeditionsgeldes auf und kaufte das unbekannte Schmuckstück. Damit hat er den Dzi-Stein unwiderruflich mit der Bergsteigerei verknüpft, in der dieser inzwischen zu einem Symbol geworden ist.